Wenn ein Kind sagt: „Ich will nicht zu Oma Elfriede, die ist immer so streng!“, hat wohl jeder vollstes Verständnis. Oma Elfriede meckert das Kind ständig an, wie es angezogen ist, diese neumodische Sprache und dann erst wie es am Tisch sitzt! Sie zieht auch immer so ein verkniffenes Gesicht. Nur ihr Kater kann es ihr recht machen. Ja, sie hatte es wohl nicht leicht im Leben, aber muss mein Kind es deswegen jetzt schwer haben?
Wohl jeder wird die Häufigkeit und Dauer der Besuche bei Oma Elfriede auf ein Minimum beschränken und das Kind nicht allein zu ihr geben. Problem erkannt, Problem gebannt – oder? Leider nicht ganz, denn wohl jeder hat in seinem eigenen Kopf eine Art Oma Elfriede. Dazu mein heutiges Erlebnis:
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Ich z.B. bügele bisher nicht besonders gern. Obwohl Gerät und Bügelbrett von mir ausgesucht sind und dem entsprechen, womit ich arbeiten möchte, vergehen oft Monate, bis ich mein Bügelbrett mal wieder aufbaue. Anfangs macht es sogar Spaß, mal wieder zu bügeln. Aber irgendwann höre ich dann einen Dialog in mir: „So langsam könnte ich auch gut mal wieder aufhören.“ Und da die Stimme in letzter Zeit spürbar selbstbewusster geworden ist, setzt sie noch hinzu: „Ist doch auch gar nicht so übel, was ich geschafft hab!“
Und dann gibt es da eine andere, etwas schnippische: „Pff, so viel leerer ist der Korb jetzt aber nicht geworden!“ und: „Also, die paar Taschentücher willst du jetzt nicht mehr mitmachen? Die paar Minuten werden ja wohl noch drin sein, also echt!“ Und in dem Moment bin ich dann froh, dass ich diesmal die Zeit gestoppt hab, sehe: Ich habe schon eine halbe Stunde gebügelt, die Stapel gebügelter Taschentücher und Geschirrtücher sehe und mir die Freude vorstelle, sie in die Schublade zu räumen und wie ordentlich die dann aussieht und meine Vorfreude darauf, die Dinge später gebügelt aus der Schublade rauszunehmen und zu benutzen. – Ich sage dann zur Oma-Elfriede-Stimme: „Wenn es nach dir ginge, hätte ich irgendwann gar keine Lust mehr auf Bügeln. Dir reicht es nie, aber ich finde, besser öfter mit Lust, Motivation und Freude als alle paar Monate eine Riesenaktion, nach der ich mich erschöpft und trotzdem nicht zufrieden fühle.“ Schalte entschlossen das Gerät ab und schreibe diesen Text – statt noch 10 weitere Taschentücher zu bügeln.
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Ein Mensch – verschiedene Sichtweisen
Wohl jeder diskutiert – mehr oder weniger bewusst – mit sich selbst. Diese unterschiedlichen eigenen Sichtweisen haben verschiedene Psychologen als „Personas“ oder auch „das innere Team“ bezeichnet. Diese Gedanken überhaupt erstmal als Diskussion bewusst wahrzunehmen, ist ein erster wichtiger Schritt. Zu wissen, welcher „woher kommt“, ist erstmal gar nicht soo wichtig (zu viel Kopf und Vergangenheit, zu wenig Jetztheit). Viel wichtiger ist:
Welcher Anteil, welche Sichtweise fühlt sich am meisten so an wie das Ich, das ich sein möchte und mit dem ich mich wohl fühle?
2 Schlüssel gegen das Aufschieben
Welche Stimme oder Sichtweise das letzte Wort behält, ist eine Sache der Übung – die Auswirkung auf unser Leben jedoch erheblich: Wer z.B. weiß: „Sobald ich anfange zu bügeln, übernimmt Oma Elfriede das Kommando, und ich bin erst dann wieder frei, wenn der Korb leer ist“, wird das tunlichst verhindern, indem er/sie gar nicht erst damit anfängt. Das nennt man fälschlicherweise „inneren Schweinehund“, ist aber tatsächlich sehr gesunder Selbstschutz.
Entscheidend bei chronischem Aufschieben ist die Frage: Kann ich mir selbst soweit vertrauen, dass ich eine Aufgabe anfange (oder wiederaufnehme), ohne Selbstkritik und Überforderung befürchten zu müssen?
Um dieses Vertrauen aufzubauen und stärken, helfen vor allem diese beiden Schlüssel:
- Mit sich selbst in Kontakt bleiben. Die Arbeit in Ruhe machen. Genug trinken und essen. Dann findet man auch raus, was die „ideale Arbeitseinheit“ ist. Für mich sind das beim Bügeln 20-30 Minuten, anderen reichen 5, wieder andere können das stundenlang.
Außerdem findet man so raus, ob es einem selbst wirklich wichtig ist und ob man vielleicht Unterstützung braucht. - Würdigen, was man tut und was man getan hat. Fokus weg von dem, was noch zu tun wäre (den Tag die Sorge), wie andere das machen (egal) und was man vielleicht niemals hinkriegen wird (auch egal). Fokus hin auf das, was man gerade tut. Würdigen, dass man etwas tut. Und sich über das Geschaffte wirklich freuen. Also: Hinterher kurz mal pausieren, ein paar Atemzüge lang innehalten, im Sitzen oder Stehen (dafür sind weder Kaffee noch Snacks oder Zigaretten notwendig) und sich einfach mal kurz selbst loben oder auf die Schulter klopfen. Sich nochmal vor Augen halten, was man geschafft hat und die Freude darüber spüren. Und dann ist erst das nächste dran – entweder die nächste Aufgabe im richtigen Maß oder die (immer verdiente!) Freizeit.