Die Wahrheit über den inneren Schweinehund

Der negativ besetzte Begriff des inneren Schweinehunds ist ein Ausdruck unserer leistungsorientierten Sichtweise und Selbstbewertung.

Wir haben gelernt: Was uns davon abhält, immer maximale Leistung zu erbringen, ist „böse“, das kann und darf nicht Teil unserer Persönlichkeit sein, sondern gehört bekämpft und ausgemerzt.

Aber habt ihr schonmal über das Wort „Schweinehund“ nachgedacht?

Treu wie ein Hund, aber schlampig wie ein Schwein? – Was das Schwein betrifft, liegt man damit schon völlig falsch, denn Schweine nehmen zwar gern zur Hautpflege ein Schlammbad, sind aber in Kleingruppenhaltung sehr reinlich, trennen „Klo“ vom „Schlafbereich“ und machen sogar ihr Bett. In Wirklichkeit sind Schweine sogar klüger und den Menschen ähnlicher als Hunde. Beide Tiere sind treu, intelligent, gesellig und spielen gern.

Der kluge „Schweinehund“

Der innere Schweinehund ist ebenfalls treu und verspielt – und sehr viel klüger als wir. Er möchte nur unser Bestes – und das ist oft eben nicht der Gang ins Fitnessstudio, wenn man gerade 10 Stunden gearbeitet hat, sondern der Gang zum Sofa. Und es ist nicht die Renovierung der Garage, wenn man im Alltag nichtmal die Zeit findet, um täglich 10 Minuten bei Tageslicht an die frische Luft zu gehen.

Unser innerer Schweinehund möchte, dass wir uns Ruhe gönnen, auf unsere Bedürfnisse achten – und uns nicht mit eigenen oder von außen an uns gerichteten Erwartungen selbst unter Druck setzen. Er möchte, dass wir unsere Seele streicheln – auch mal mit Chips oder unserem ungesunden Lieblingsessen. Er möchte, dass wir, wenn wir ängstlich sind, einer Anforderung nicht gewachsen zu sein, dieser Anforderung ausweichen. Er möchte uns das Gefühl schenken, dass wir uns gut um uns selbst kümmern und die Lage (halbwegs) im Griff haben.

Zum Kampf gegen den inneren Schweinehund zwei wichtige Fakten

  1. Den inneren Schweinehund zu besiegen, ist nur ein Scheinsieg, der bedeutet, ein eigenes Bedürfnis (z.B. Nichtstun oder Erholen) ignoriert und übergangen zu haben. Dauerhafte Zufriedenheit lässt sich so nicht erreichen – egal, wie stolz man auf seine Leistung oder sein Durchhaltevermögen ist.
  2. Der innere Schweinehund ist nicht unser Feind! Er will nur unser Bestes. Jedenfalls in diesem Moment. Wie wir das bewerten, ist unsere eigene Verantwortung: Liegen wir „faul“ auf dem Sofa – oder „redlich erschöpft“?

Alternative Nichtstun?

Habt ihr mal versucht, eine Woche lang GAR NICHTS zu tun? Wenn ihr euch dabei vernünftig ernährt (falsche Ernährung zieht tatsächlich sehr viel Energie raus) und wirklich auf jede Art von negativem Stress und Beschäftigung (Fernsehen, Handy etc.) verzichtet, kommt automatisch irgendwann der Zeitpunkt, wo man etwas tun möchte! Nicht umsonst sind z.B. im Gefängnis die kaum bezahlten Werkstattjobs eine Belohnung für „gute Führung“ – alles ist besser als dauerhaftes Nichtstun. Aber gelegentliches Nichtstun ist für unseren Körper ein Überlebensprogramm.

Im Italienischen gibt es dafür sogar einen eigenen Ausdruck, wie man aus dem Buch „Eat Pray Love“ lernen durfte: „La dolce far niente.“ – „das süße Nichtstun.“

Wenn sich also der innere Schweinehund meldet, denkt nicht: „Oh nein, ich versage schon wieder!“ sondern: „Oh, da passt jemand auf mich auf!“

Denkt daran, dass der Schweinehund klüger ist als man selbst. Selbst lässt man sich viel zu sehr von vermeintlichen Erwartungen anderer – oder von anderen Gründen wie Geld, Prestige o.ä. leiten. Verabschiedet euch von „Sollte“. Erholt euch. Und würdigt euch für die Dinge, die ihr schon gemacht habt.

„Aufschieberitis“ / Prokrastination

Wer schon sein Leben lang mit extrem starker „Aufschieberitis“ zu kämpfen hatte, sollte sich darüber im Klaren sein, dass alles seine logischen Gründe hat.

1. Grund:

Der falsche Zeitpunkt

Manche Dinge brauchen einfach mehr Zeit. „Gut Ding will Weile haben“. „Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.“ Viele Dinge, mit denen man „länger schwanger geht“ werden am Ende viel besser. Und gerade wenn man Dinge aufgrund von guter Überlegung NICHT tut, lassen sich so große Fehlentscheidungen vermeiden.

-> Dem Bauchgefühl vertrauen, den richtigen Zeitpunkt zu finden.

2. Grund:

Überlastung bzw. fehlende Kapazität

Manche Menschen muten sich permanent zu viel zu. Viele wissen gar nicht mehr, wo ihre Grenzen der Belastbarkeit sind und denken trotzdem, nur ihr innerer Schweinehund würde sie davon abhalten, noch mehr zu tun. Dabei ist es vollkommen genug, sich um Familie und/oder Eltern zu kümmern, einen Haushalt zu führen und/oder einen Beruf zu haben und dabei noch so für sich selbst zu sorgen, dass man gesund bleibt (oder wird) an Körper und Seele. Leider haben viele von uns gelernt, dass man nur dann wahrgenommen wird, wenn man immer mehr leistet als die anderen oder als man  es selbst eigentlich kann.

Wer sich ständig erschöpft fühlt, sollte unbedingt zum Hausarzt gehen (auch Stress und Stoffwechselstörungen können Mangelerscheinungen hervorrufen, die gravierende Folgen haben können!) und überlegen, seine Ernährung schrittweise umzustellen.  Wer das Gefühl hat, dass er ständig am Rotieren ist (egal, ob bezahlt oder unbezahlt!) und trotzdem das Gefühl hat, dass es einfach nicht genug ist, sollte sich fragen, wessen Stimme in seinem Leben bisher das Sagen hat…

-> Gesundheit checken

-> Überzeugungen hinterfragen

3. Grund:

Fehlender Glaube an die eigene Kompetenz

Nicht wenige Menschen wurden schon von Kindheit an immer wieder (meist unabsichtlich) entmutigt, wenn sie etwas Großes oder Großartiges vorhatten oder gemacht haben. Wer immer wieder entmutigt wurde, fängt irgendwann entweder gar nichts Großes mehr an oder verliert irgendwann unterwegs den Mut.

Wenn ihr denkt, dass das für euch zutrifft, denkt einmal darüber nach, was euch in eurem Leben schon wirklich gut geglückt ist. Vergleicht die positiven Erlebnisse miteinander und die weniger positiven. Findet heraus, wie ihr euch „umprogrammieren“ könnt. Jetzt ist es eure eigene Stimme, die zählt!

Seid nicht streng mit euch, wenn es nicht auf Anhieb klappt. Würdigt eure Anfänge. Würdigt euren Mut.

Und: Wenn ihr Probleme mit größeren Aufgaben habt: Unterteilt große Aufgaben in kleinere Schritte, also kleinere Aufgaben und Einheiten. Und feiert jeden gegangenen Zwischenschritt.

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